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75 Jahre Berliner Radfahr-Club
"Defekt" 1902
Am 4. März 1902 entschlossen sich einige Radsportler,
die sich schon längere Zeit regelmäßig zu gemeinsamen
Ausfahrten trafen, einen Radsportverein zu gründen.
Auf der Suche nach einem originellen Namen war man sich,
angesichts der Tatsache, daß ein Großteil der Zeit bei
diesen Ausfahrten mit der Reparatur von "defekten"
Teilen und Reifen ausgefüllt wurde, schnell einig, wie
man den Club nennen wollte.
So entstand also der Vereinsname Berliner Radfahr-Club
"Defekt" 1902 als augenzwinkernde Verbeugung
vor den Umständen, die auch heute noch einem Radsportler
das Leben zur Hölle machen können. Böse Zungen behaupten
seitdem stets, wenn der Sportliche Erfolg ausblieb,
die Kameraden hatten wenigstens dem Vereinsnamen
alle Ehre gemacht.
Nach dem Motto, auf das weitere Wachsen, Blühen und
Gedeihen des BRC "Defekt" 02 ein dreifach
kräftig "All Heil", wuchs der Club schnell
zu einem der großen deutschen Radsportvereine heran.
Dies betraf nicht nur die Qualität sondern auch die
Quantität. Die Mitgliederzahlen pendelten in der Zeit
zwischen den Kriegen zwischen 250 und 400 Kameraden,
"Karteileichen" kannte man damals noch nicht. In
den Zwanziger Jahren strebte der BRC "Defekt"
02, der sich bis dahin hauptsächlich im Saalsport (mit
Schwerpunkt Reigenfahren) einen Namen geschaffen hatte,
an, im Konzert der großen straßenradsporttreibenden
Vereine wie z.B. Grün-Weiß und Arminius mitzuspielen.
Unter der Regie des damaligen Vorsitzenden Richard Behrendt
(Ehrenpreis-Behrendt), der gleichzeitig Straßenfachwart
des Gaues III (Brandenburg) war, hatte der Club seine
Blütezeit. Namen wie Walter Bartholomäus, Richard Balzer,
Nico Nebe, Walter Fröscher, Georg Bremer, Paul Szostak,
Bernhard Zuchowski, Kämpfert, Ney, Bolz, Gebrüder Haupt,
Walter Bürkop und Fritze Wanker machten den BRC "Defekt"
02 weit über regionale Grenzen hinaus bekannt. Ein sensationeller
Erfolg war 1931 der Brandenburgische Meistertitel im
6er-Mannschaftsfahren auf der Straße mit den Fahrern
Balzer, Bartholomäus, Bremer, Fröscher, Nebe und Kämpfert
(von Arminius und Grün-Weiß), dem ebenfalls sensationell
der dritte Platz bei der Deutschen Meisterschaft im
gleichen Jahr in Chemnitz folgte. Überhaupt war das
Mannschaftsfahren in dieser Zeit eine Domäne des Clubs.
Viele der oben genannten Kameraden wurdenin die deutsche
Nationalmannschaft berufen, einigen gelang auch später
der Sprung in das Lager der Profis, manche dienen auch
heute noch dem Radsport, wenn auch (leider) in anderen
Vereinen. Stellvertretend sei der Kamerad Szostak genannt,
der nach dem Krieg vielen Radrennen mit auf die Beine
half (u.a. 4-Etappen-Fahrt und Möbel-Kunst-Preis). Als
"jüngster" Pressewart des LV Berlin ist er
uns allen kein Unbekannter.
Nach 1945 erholten sich die stark gelichteten Reihen
der Kameraden nur sehr langsam von dem Schock des "1000jährigen
Reiches".
Ferdinand Rochlitz und Bernhard Zuchowski gelang
es mit einigen Kameraden, den Club aus seinen Dornröschenschlaf
zu wecken. Am 17. Oktober 1951 wurde der BRC "Defekt"
02 von 20 teils alten, teils neu dazugewonnenen Mitgliedern
wieder ins Leben gerufen. Leider gelang es nicht, die
in alle Himmelsrichtungen verstreuten alten "Defektler"
zu sammeln. So mußte man wieder vollkommen von Vorne
anfangen. Mit ungebrochenem Elan machte man sich daran,
den Anschluß an die erfolgreiche Tradition des Clubs
zu schaffen. Speziell in der Jugendarbeit war der Verein
bald wieder in aller Munde, Die Radrennen "Rund
um den Schäfersee" wurden vom BRC "Defekt"
02 ins Leben gerufen und erfreuten sich allgemeiner
Beliebtheit.
Die zunehmende Kommerzialisierung auch im Radsport
machte sich jedoch schon damals bemerkbar. Das Mäzenatentum
entwickelte sich mehr und mehr zum wichtigsten Überlebensfaktor
eines Sportvereins. Für den Club bedeutete dies, alte
Mäzene zu reaktivieren, neue hinzuzugewinnen und vor
allem die älteren, fördernden Radsportfreunde für den
Verein zu interessieren. Leider wurde dieser Weg nicht
konsequent genug beschritten, so daß sich der BRC "Defekt"
02 immer mehr zu einem Talentzulieferer für die anderen
Vereine entwickelte. So wurde in den letzten 25 Jahren
unter den Vorsitzenden Ferdinand Rochlitz, Alfred Schulz,
Helmut Keilich, Bernhard Zuchowski, Werner Kodisch,
Rudolf Wilcopolski und Lutz Heckmann mit wechselndem
Erfolg hauptsächlich Talentsuche und Jugendarbeit betrieben.
Einige Sportfreunde, die etwas geringschätzig auf unsere
Vereinsarbeit herabblicken, seien daran erinnert, daß
so bekannte Sportler wie Dieter Puschel und Michael
Schultz im BRC "Defekt" 02 das Radfahren "erlernten".
Dieter Puschel, der 1958 sein erstes Amateurjahr mit
dem Aufstieg in die B-Klasse erfolgreich abschloß, prägte
in dieser Zeit auch als Straßenfahrwart das sportliche
Leben des Clubs. Unter seiner Regie belegte der Straßenvierer
der Jugend stets vordere Plätze.
In Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Reinickendorf
von Berlin wurde 1958 im Rahmen der "Tegeler Heimatwoche"
eine neue Rennstrecke entdeckt, die jedoch schon bald
den straßenbaulichen Maßnahmen zum Opfer fiel. Ebenfalls
durch Vermittlung des Bezirksamtes entstand 1969 eine
partnerschaftliche Beziehung zu dem im Londoner Bezirk
Greenwich ansässigen Gemini Bicycle Club. Bei Partnerschaftstreffen
in London und Berlin in 2jährigem Rhytmus wurden viele
freundschaftliche Kontakte geknüpft. Als auf dem Gebiet
des Radsports eine allgemeine Funktionärsmüdigkeit
einsetzte, hatte der Club das Glück, in Bernd Curt einen
Sportwart und Jugendleiter zu haben, der mit unermüdlichem
Einsatz die Jugendabteilung formte. Mit 109 Placierungen
bei öffentlichen Rennen in Berlin und Westdeutschland
war die Saison 1976 das erfolgreichste Nachkriegsjahr
des BRC "Defekt" 02.
Eine absolut führende Stellung in Berlin nimmt der
Club im Bereich des Wanderfahrers ein. Hier wurden in
den vergangenen Jahren von uns viele Bundessieger gestellt,
für die mannstellvertretend den Kameraden Alfred Mittelbach
nennen muß, der im Alter von 70 Jahren mit einer Fahrleistung
von über 14 000 Kilometern bewies, daß diese Sparte
des Radfahrens durchaus einen sportlichen Aspekt hat.
Leider haben noch nicht alle Radsportvereine diese Möglichkeit
genutzt, ihren älteren Kameraden und denjenigen, die
dem Leistungsstreß des Rennsports nicht mehr gewachsen
sind, durch das Radwandern sinnvoll und gesunderhaltend
zu beschäftigen.
Die Erfolge der vergangenen Saison im Straßen-, Bahn-
und Wanderfahren lassen hoffen, daß auch das Jubiläumsjahr
1977 den BRC "Defekt" 02 einen Schritt näher
an die Berliner Radsportspitze heranführt. Vergeblich
intensive Abwerbungsbemühungen eines Vereins, der mit
erheblichem finanziellen Aufwand versuchte, unsere Jugendspitzenfahrer
"einzukaufen", haben bewirkt, daß der Club
in sich geschlossener ist, als jemals zuvor. Wir hoffen,
daß auch diese Art von Vereinen bald merken wird, daß
nur eigene Nachwuchsförderung auf die Dauer zu den gewünschten
Erfolgen führen kann. In diesem Sinne soll die kleine
Vereinschronik, die die Geschichte des BRC "Defekt"
02 nur teilweise wiedergeben kann, schließen. Altere
Radsportfreunde mögen dem Chronisten die Unvollständigkeit
nachsehen, da ihm ein gründliches Recherchieren auch
aufgrund fehlender Funktionäre und älterer Kameraden
nicht möglich war.
Als Vorschau sei, neben dem Jubiläumsball am 19.3.1977,
nochmals an den 31.7.1977 erinnert, an dem der BRC "Defekt"
02 mit Hilfe von hoffentlich zahlreichen Mäzenen
sein internationales Jubiläumsrennen veranstalten wird.
Ein dreifaches, kräftiges "ALL HEIL""
auf die Zukunft des Radsports und natürlich auch auf
die des BRC "Defekt" 02.
Lutz Heckmann
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